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Martin Fischer

Erinnerungen und Abenteuer

Arthur Conan Doyle

Verlag 28 Eichen, 2017

(als Mitübersetzer)

Leseprobe:

Ich habe zweimal für das Parlament kandidiert, doch sollte mich jemand nach meinen wahren Beweggründen fragen, fiele es mir schwer, eine schlüssige Antwort zu liefern. Gewiss verspürte ich nicht den brennenden Wunsch, diesem hehren Gremium anzugehören, denn beide Male bewarb ich mich absichtlich um einen Sitz, dessen Eroberung jeder Experte für aussichtslos hielt. Obwohl ich in einem Fall die Experten um ein Haar Lügen gestraft hätte, ist mein Handeln trotz allem ein Zeichen dafür, dass ich nicht sonderlich erpicht darauf war, die Wahl zu gewinnen, zumal mir andere, leichtere Sitze angeboten worden waren. Im Falle von Central Edinburgh, für dessen Sitz ich bei den Wahlen im Jahr 1900 kandidierte, spielte wohl ein sentimentaler Grund mit, war es doch der Stadtteil, in dem ich zur Schule gegangen war und den größten Teil meiner Jugend verbracht hatte. Er galt als die Hochburg der Radikalen in Schottland schlechthin, und ihn zu gewinnen wäre einem veritablen Coup gleichgekommen. Obwohl ich selbst in mancherlei Hinsicht einiges von einem Radikalen hatte, war ich mir bewusst, dass es für das britische Imperium eine Schmach, ja womöglich eine Tragödie wäre, sollten wir den Burenkrieg nicht siegreich zu Ende führen, und genau das musste den Wählern erklärt werden.

Was ist doch dieses Wahlkampftreiben für ein schnödes Geschäft, wenn es auch zweifellos eine läuternde Wirkung hat. Man sagt, Schlammbäder seien gesund und reinigend, und mir fällt kein besserer Vergleich ein. Auf Schottland trifft dies meiner Meinung nach ganz besonders zu, weil dort die Kunst der Zwischenrufe extreme Formen angenommen hat. Fragen zu stellen ist etwas Vorzügliches, solange der ehrliche Wunsch dahinter steht, die Ansicht des Kandidaten zu einem öffentlichen Anliegen zu erfahren. Doch die ehrlich gemeinten Fragen sind die Ausnahme, und der bedauernswerte Kandidat wird von boshaften und unverantwortlichen Leuten mit allerlei sinnlosen Fangfragen eingedeckt, die nur darauf abzielen, ihn zu verärgern und als Dummkopf oder Ignoranten hinzustellen. In dieser Hinsicht tut eine Reform bitter not. Nach einer einstündigen Rede wurden mir oft eine weitere Stunde lang Fragen gestellt, eine absurder als die andere. In den Zeitungsarchiven kann man sich, wie ich hoffe, davon überzeugen, dass ich meinen Mann gestanden habe; ich war bestens vertraut mit den Wahlkampfthemen und mittlerweile sehr geübt in Podiumsauftritten. Manchmal konterte ich verwegen. Ich erinnere mich an einen stämmigen Kerl, der mit einer sorgsam vorbereiteten Frage aufwartete, die er von hinten laut durch den Saal schmetterte. Ich hatte über Handelszölle als Vergeltungsmaßnahme gesprochen, und seine Frage lautete: „Herr Kandidat, wie können Sie Vergeltung mit der Bergpredigt vereinbaren?“ Darauf erwiderte ich: „Nicht immer können wir im Leben die hehren Ideale erreichen. Haben Sie etwa alles verkauft und es den Armen gegeben?“ Es war stadtbekannt, dass der Mann nichts dergleichen getan hatte – ganz im Gegenteil, und meine Antwort erntete schadenfreudiges Gelächter, das ihn geradezu aus dem Saal fegte.